Test Porsche Cayenne Turbo Coupé

Lasst uns etwas Sport wagen

Lust auf Sport? Porsche scheint dazu gerade richtig. Unser Kandidat heisst Cayenne Turbo Coupé, die Leistungswerte stimmen, der guten Stimmung steht also nichts im Weg, oder doch?

Veröffentlicht am 02.05.2020

Die Farbe Lavaorange, eine Option für 2900 Franken, hilft ihm nicht viel, dem Cayenne Turbo Coupé, wie er so in der Reihe steht in einer Nebenstrasse in Zürich-Wiedikon. Er tritt aus der Reihe. Das städtische Parkfeld ist zu schmal, die Aussenkanten der Räder stehen jenseits der Parkplatzmarkierung. Bleibt zu hoffen, dass die freundlichen Parkticket-Tanten für einmal Gnade walten lassen.

Vielleicht war es ein Fehler, mit dem Dicken in die Stadt zu fahren. Aber Test ist Test, und gerade in der Limmatstadt ist nicht von der Hand zu weisen, dass ihre notorisch verstopften Verkehrswege besonders gerne von grosszügig dimensionierten SUV heimgesucht werden. Da sind wir also. Was auffällt: keiner macht Platz, niemand lässt einem einscheren, die Signalfarbe stimmt das Umfeld auf Abwehr. War das eine Spur zu viel Überholprestige, ein gutes Quäntchen Jahresendbonus-zur-Schau-gestellt jenseits des guten Geschmacks? Sind wir gerade etwas zu provokativ? Der Cayenne Turbo Coupé hilft einem wunderbar, all diese kritischen Fragen zu ignorieren. In seinem von einem bogenartigen Dach überspannten Inneren fühlt man sich schnell entrückt. Die Sportsitze nehmen einem sorgsam auf und halten einem bei bester Laune wenn die Arbeit beginnt: Zunächst gilt es, fast zwei Meter Breite durch den Verkehr zu zirkeln. Gut dass sowohl Motor- wie Bremsleistung das Be- und Entschleunigen in kürzester Zeit schaffen – Porsche halt, der Aufwand ist entsprechend hoch. Die speziellen, Wolfram-beschichteten Bremsen – an den weissen Bremssätteln sollt ihr sie erkennen – beissen bei Bedarf heftigst zu . Die kinetische Energie von 2.2 Tonnen Leergewicht produzieren eine entsprechende Menge an Wärmeenergie, die vorne über gewaltige 440mm, hinten mit 410mm grossen Scheiben an die Umgebung abgegeben wird.

Reissen statt Drücken

Der Motor des Cayenne Turbo Coupé ist ein alter Bekannter. Der 4-Liter-V8 glänzt mit 137,5 PS Literleistung. Für dessen Haltbarkeit sorgt ein 150 Mikron dünne, im Plasmaverfahren aufgespritzte Eisenschicht auf den Zylinderlaufbahnen des Aluminium-Motorblocks. Die beiden Twin-Scroll-Turbolader sitzen zwischen den 90° zueinander stehenden Zylinderbänken, zusammen mit den Katalysatoren, was unter anderem für beste Abgaswerte sorgt – Euro 6d-TEMP-EVAP-ISC. Dank Zylinderabschaltung, selbst der Ventiltrieb der entsprechenden vier ruhenden Töpfe liegt dabei still, sollen Verbrauchswerte im Mischbetrieb um 11.4 Liter realistisch sein. Allerdings, bei den möglichen Beschleunigungswerten um 4 Sekunden – das Werk nennt 3,9 – von 0 bis 100 und nur 2,7 Sekunden von 80 bis 120 in der Elastizitätsprüfung, ist Zurückhaltung nur mit eiserner Disziplin zu schaffen. Der kurze Zwischensprint ist zu verlockend, die Freude entsprechend hoch. Im dichten Verkehr gewinnt man so im Porsche viel Souveränität und die Gewissheit, sich nicht ständig auf der linken Autobahnspur durchs schweizerische Mittelland pflügen zu müssen um den Anschluss halten zu können.

Lenkungsabgabe

Ist die Reisegeschwindigkeit einmal erreicht, erfreuen einem die gut funktionierenden Bedienelemente. Die Spracheingabe schafft es sogar, die richtige Radiostation punktgenau über das feine Audiosystem zu bringen. Antonín Dvo?áks 9. Sinfonie in e-Moll op. 95 über das Burmester-Soundsystem bringen die Fuhre erst richtig in Fahrt. Ja, mit Klassik! Bedenke die orange Aussenfarbe: aber harte Hip-Hop-Beats? Nein – sorry – nein, da hat ein Jogurt mehr Kultur, Schluss. Nicht bis zum Schluss hat Porsche sich die Arbeit mit der Lenkung unseres Testwagens gemacht. Er fährt nicht wirklich geradeaus. Nervös und geneigt, jeder kleinen Längsrille nachzueifern, fehlt es gerade auf langen Autobahnstücken an Gelassenheit. Fern von durch Fakten belegten Diagnosen vermuten wir eine gar knappe Vorspur in der Radgeometrie. Gewiss, die Lenkung reagiert zwar sehr agil und verwandelt kleinste Handgelenkzuckungen in Richtungswechsel. Auf engen Bergstrassen hilft diese im Zusammenspiel mit der Hinterradlenkung, um dem Cayenne eine für solch einen schweren Brocken sportliche Gangart zu ermöglichen. Der Grenzbereich liegt dabei weit jenseits dessen, was sich der geneigte Alltagsfahrer gemeinhin gönnt. Es fehlt jedoch ein sauberer Geradeauslauf. Zusammen mit dem klassischen Pepita-Sitzpolster unseres Testwagens fühlt man sich damit tatsächlich in der Zeit zurückversetzt – in einen alten Neunelfer der 1960er-Jahre. Im Gegensatz zu diesem gibt es im Cayenne Turbo Coupé aber vier ordentliche Sitzplätze und zwischen 598 und 1513 Liter Stauraum. Seine minderen Brüder verfügen über deren 625 und 1540, aber nur einen 75 statt dem 90 Liter Tank beim Turbo. 3,5 Tonnen Anhängelast am Hacken reissen jedoch bei Bedarf alle weg.

Aber ein 230 000-Franken-Auto als Zugwagen? Das kommt wohl auf den Preis des Pferdes an, oder des Pedrazzini-Bootes, dann aber definitiv nicht in Lavaorange wie beim Testwagen. Denn am Ende ist alles eine Frage des guten Geschmacks. Auch diejenige, ob's denn der normale Cayenne oder dessen Coupé sein soll. Ja richtig – und des Geldes!

Text: Martin Sigrist
Fotos: Niels Deparade

Porsche Cayenne Turbo Coupé
3996 cm3 V8-Motor, DOHC, Doppel-Turbo (twin-scroll)
550 PS bei 5750 - 6000/min, 770 Nm bei 2200 - 4500/min
8-Gang Tiptronic S (Wandler, ZF)
286 km/h, 0-100 km/h 3,9 s, 80-120 km/h 2,7 s, 0-160 km/h 9.7 s,
Fahrwerk: Fünflenkerachsen v./h. , Allradlenkung, Luftfederung
Karosserie: Stahlblech selbsttragend, 4 Plätze
Dimensionen L x B x H: 4939 mm x 1989 mm x 1653 mm
Leergewicht (DIN): 2200 kg
Zul. Gesamtgewicht: 2915 kg
Tankinhalt: 90 l
Koffer: 598 l - 1513 l

Verbrauch (Werk): Kombiniert 14 l (98roz)
Testverbrauch: 14,2 l
Emission: 319 g CO2/100 km
Effizienzklasse: G

Preis: ab 193 300.– Franken
Extras: 36 420.–
Testwagen: 229 720.–

 

 

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